Ein bleibender Eindruck – zweiter Teil
Acht Tage zuvor*
Sie schloss die Tür hinter sich, zog ihren Kurzmantel aus und hängte ihn über die Tür zum Wohnzimmer. Noch gab es in ihrer neuen Wohnung keine Garderobenhaken an der Wand. Ihre robuste Ledertasche ließ sie etwas zu schwungvoll neben der Tür zu Boden fallen aber das laute „Rums“ war ihr gerade völlig egal.
Durcheinandergewirbelt von der kurzen aber intensiven Begegnung nur wenige Minuten zuvor ging sie in die Küche an einen ihrer Umzugskartons. Zielsicher fand sie den Karton mit den Weingläsern. Die Küchenmöbel selbst hatte sie vom Vormieter übernommen aber ihre Sachen waren noch nicht ausgepackt. Melanie befreite eines der Weingläser aus dem Zeitungspapier, ging zum Kühlschrank und holte eine Flasche Weißwein heraus. Viel mehr gab es auch nicht. Gestern hatte sie mit ihrem besten Freund Thomas auf ihren Einzug angestoßen. Der Wein in der Flasche reichte noch genau für ein Glas. Jetzt ließ sie sich auf einen der beiden weißen Küchenstühle sinken und atmete tief durch.
Was war das denn eben gewesen, fragte sie sich? Plötzlich hatte ihr unter einer Laterne eine junge Frau gegenüber gestanden, die sie wie vom Donner gerührt angestarrt hatte. Aber vielleicht war auch sie diejenige, die ihren Blick etwas zu deutlich auf die andere gerichtet hatte? Und was fiel ihr eigentlich ein einer völlig Fremden einen Kuss auf die Wange zu hauchen? Diese Augen. Selten zuvor hatte sie ein solche Wärme in einem ersten Blick gesehen. Als sie sich vorgebeugt hatte, um ihr näher zu sein sah sie in der eher hellen Iris einige unregelmäßige Sprenkel und da das Licht der Laterne nicht direkt darauf fiel waren die Pupillen rund und groß. Fast unwirklich wie bei einem Manga-Mädchen. Aber die Augen waren natürlich nicht so unnatürlich groß wie in den japanischen Zeichentrickserien ihrer Kindheit. Die Augen wurden von dichten geschwungenen Wimpern umrandet. Die kleinen Härchen waren lang und dunkel, was die Frau trotz ihres Anoraks und ihrer bunten Strickmütze, die sogar eine Bommel hatte wunderschön aussehen ließ.
Der Mund war eher schmal, die Nase wohlproportioniert und gerade. Lange dunkelblonde Haare schauten unter ihrer Mütze hervor und umrahmten das Gesicht der Frau, die ebenfalls von der Situation irritiert gewesen war. Auch sie schien zu spüren, dass zwischen ihnen beiden etwas Besonderes passierte in diesem Augenblick.
Ihre Statur und Größe glich Melanies. Beide konnten sich geradewegs von etwa 1,70 m aus in die Augen sehen. Die Fremde trug geschnürte schwarze Halbschuhe, die auch als Herrenschuh durchgegangen wären. Insgesamt wirkte sie wahnsinnig leger, besonders im Gegensatz zu Melanie, die sich in ihrem Wollmantel und den klassischen braunen Lederstiefeln fast etwas uncool vorgekommen war. Viele Gedanken waren sprunghaft durch ihren Kopf gehuscht ohne, dass sie diese hätte festhalten können. Aber eines wußte sie bestimmt: Wäre es nicht Herbst gewesen, die Luft zwischen beiden hätte sicher geflirrt.
Daher konnte sie nicht anders und hatte der anderen einfach nah sein müssen für einen kurzen Moment. Melanie nahm einen Schluck vom gut gekühlten Chardonnay, roch die Pfirsichnote, welche aus dem Weinglas emporstieg und musste an den Duft der Frau denken. Kein Eau de Toilette umgab sie. Eher ein sanfter Hauch von Duschgel und eine Süße, deren Ursprung sich Melanie entzog. Wie gern wäre sie in diesem Moment ein Klischee-Kerl gewesen und hätte die andere frech auf den Mund geküsst. Hätte ihre Lippen gespürt und das herrliche Gefühl genossen wenn zwei Zungen sich finden, sich kurz einander entziehen nur um wieder aufeinander zu treffen. Das Kribbeln im gesamten Körper ist in solchen Momenten süß und doch kaum zu ertragen. Doch der Kuss auf die Wange war alles was ihr Mut hergegeben hatte. Hey – selbst dafür hätte sich sich ohne weiteres eine Ohrfeige einfangen können. Aber dieser magische Moment, der sich ganz ohne Vorwarnung draußen auf der Straße nur wenige Minuten zuvor abgespielt hatte war auch der anderen Frau nicht entgangen. Das wusste Melanie ganz genau.
Liebe auf den ersten Blick? Nein daran glaubte sie nun wirklich nicht. Aber an Chemie glaubte sie. Und die Chemie zwischen ihnen beiden war explosiv. Vom Körper der Unbekannten mit den blaugrauen Augen hatte sie nicht all zu viel gesehen. Im Gegensatz zu ihren eigenen eher runden Hüften und für ihren eigenen Geschmack etwas zu großen Brüsten wirkte die andere drahtig und schmaler als sie selbst. So richtig ließ sich das unter dem Taubenblauen Annorak aber nicht sagen.
Sicher hatte sie lange schlanke Finger, die sich wunderbar auf ihrer Haut anfühlen würden. Aber jetzt träumte Melanie mit offenen Augen. Alles was sie jetzt über diese Frau, der sie vielleicht gerade einmal drei Minuten gegenüber gestanden hatte, dachte und sich zusammenreimte war eine Mischung aus ihrer lebhaften Phantasie und Wunschvorstellungen.
Und: Sie wollte doch gar keine neue Freundin. Das mit Nadine war doch gerade erst drei Monate her und saß noch tief. Sonst wären sicher ihre Kisten in der neuen Wohnung schon ausgepackt. Aber sie wollte noch ein Bisschen hier in ihrer neuen Küche sitzen und von der Frau mit den unergründlichen Augen, den vom Wind unordentlichen Haaren und der vermutlich sportlichen Figur träumen. Die Wohnung war Teil ihres Neustarts nach fünf Jahren Beziehung.
Vielleicht konnte sie sich mit ein Wenig Träumen über die Unbekannte wenigstens über ihre sexuelle Durststrecke hinwegtäuschen. So lange Nadine weg war, so lange hatte Melanie nur Sex mit sich selbst gehabt. Also war es kein Wunder, dass sie das Kribbeln, welches die Frau eben in ihr ausgelöst hatte unbedingt genießen wollte. Gedanken an Hände, die über ihre Haut wanderten machten sich wie von selbst in ihre Gehirnwindungen breit.
Melanie nippte erneut am Wein, dann erhob sie sich und nahm das Glas mit ins Wohnzimmer. Dort stand bisher nur ihr rotes Sofa mit den gemütlichen Kissen in welche sie sich nun entspannt sinken ließ. Sie war seit heute offiziell hier gemeldet und war in diese Wohnung gezogen, um nicht immer ständig ihrer Ex über den Weg zu laufen. Ein neuer Kiez würde ihr gut tun. Nein, er tat es bereits, korrigierte sie sich in Gedanken.
Bei der Idee, dass ihre Zufallsbegegnung so etwas wie eine Nachbarin im weiteren Sinne sein könne lief ihr Gedankenkarrussel wieder auf Hochtouren. Sie schloss die Augen und spürte förmlich wie sie Haut an Haut mit der anderen auf der Matratze im Schlafzimmer auf dem Boden lag, welche aktuell das Bett ersetzte. Beide erforschten sich gegenseitig. Hände und Lippen glitten über weiche Rundungen und beide waren völlig entspannt als würden sie sich bereits seit Ewigkeiten kennen.
Das Gefühl was sich bei diesen Gedanken einstellte war gut. Wirklich sehr gut. Melanie stellte ihr Glas auf den Boden, legte sich wieder entspannt auf das Sofa und glitt mit ihrer rechten Hand in ihre Hose. Es war gerade so viel Platz, dass sie die Hose nicht öffnen musste. Sie berührte sich selbst zwischen den bereits prall angeschwollenen Lippen ihrer Scham. Sie begann tiefer zu atmen als sie ihren Lustpunkt fand. Doch in Gedanken waren das gar nicht ihre eigenen Finger, die sie streichelten. Es waren die Finger der Frau mit dem warmen, fast schüchternen Blick und dem unerklärlichen süßen Duft. Wie weich wohl ihre Haare wären?
Melanies andere Hand bahnte sich den Weg in ihre Bluse und drückte über dem BH eine Brustwarze fest zusammen, um ihre Erregung schneller zu steigern. Sie spürte förmlich die ersehnten Küsse ihrer Fremden am Hals, übers Schlüsselbein gleitend bis hin zu ihren Brüsten. Wie gern wollte sie das sanfte Saugen spüren, wenn harte Nippel zwischen Lippen gesogen werden. Die kleinen erotischen Bisse, das Erforscht werden durch Lippen und Zunge der anderen. Melanie bewegte ihre Hand auf der Klit nun immer schneller, stöhnte inzwischen deutlich vernehmbar und flüsterte: „Wie immer du heißt, bitte berühr‘ mich, bitte“ Ein letztes Mal steigerte sie das Tempo, rieb noch fester über ihren Kitzler als ihr Höhepunkt sich von dort aus durch ihren gesamten unter Spannung stehenden Körper ausbreitete. Es überrollte sie geradezu und als sie wieder zu Atem gekommen war, lächelte sie so breit wie ein Honigkuchenpferd! „Ich werde dich wiedersehen,“ dachte Melanie noch eine Minute bevor sie direkt auf dem Sofa einschlief.
*(Teil 1 des bleibenden Eindrucks ist vom 16.10.2014)